Placebo – Running Up That Hill
Dies ist eine fiktive Geschichte zu dem Song »Running Up That Hill« von Placebo.
Der Song »Running Up That Hill«
Die Geschichte
Es ist Schwimmbadsaison. Ich bin mit Papa und Mama im Freibad, doch momentan bin ich allein. An sich ist das okay, denn auch wenn ich immer mit meinen Eltern gemeinsam ins Freibad gehe, beschäftige ich mich meistens mit mir selbst. Doch in den sonstigen Fällen darf ich mich währenddessen im Wasser aufhalten. Nicht heute.
Nachdem wir am Anfang unseres Aufenthalts unsere Handtücher auf der Wiese vor dem Schwimmbecken ausgebreitet hatten, bin ich direkt ins Wasser gesprungen, da ich mich schon das ganze Jahr auf den Sommer und die damit verbundenen Schwimmbadbesuche gefreut habe. Mama hatte mir noch nicht die Erlaubnis dafür gegeben, aber sie beschwerte sich auch nicht. Ich schwamm mehrere Bahnen und bespritzte fremde Menschen mit Wasser. Normalerweise hätte Mama mich schon längst ermahnt, aber diesmal schaute sie nur etwas grimmig, als ich in Erwartung auf Ärger zu ihr rüber sah.
Mama ging nicht schwimmen. Sie lag ausschließlich auf ihrem Handtuch, wie immer. Ich habe nie verstanden, warum Mama nie schwimmen geht, wenn wir hier sind, aber sie hat wohl immer mehr Spaß daran nur zu liegen und in Zeitschriften zu blättern. Papa geht auch nur selten ins Wasser. Meistens reicht es ihm, einmal kopfüber in das Schwimmbecken zu springen, um eine Bahn zu schwimmen. Danach setzt er sich in der Regel neben Mama und liest Zeitung – so auch heute.
Nach einiger Zeit rief meine Mama mich zu sich. Bei den Handtüchern angekommen, trocknete sie mich ab und sagte mir, ich solle hier auf sie und Papa warten. Sie erklärte mir, warum sie beide weg gehen müssten, aber ich war zu sehr von den Keksen abgelenkt, die ich in Mamas Handtasche entdeckte, dass ich richtig hätte zuhören können. Ich fragte sie, ob ich welche haben dürfte, aber sie legte die Kekse neben mein Handtuch und sagte, dass ich NOCH keine essen dürfte, erst später. Sie machte mir nochmal deutlich, dass ich auf keinen Fall weg gehen darf, ich solle hier auf meine Eltern warten. Wenn sie wieder da sind, dürfte ich wieder im Wasser spielen.
Sie gingen und seitdem warte ich. Ich warte lange und fange an, mich zu langweilen. Ich fixiere die Kekse und überlege, doch einen zu stibitzen, obwohl Mama es mir verboten hatte. Ich wünschte die Packung wäre schon geöffnet, dann hätte sie sicherlich nicht bemerkt, dass ein Keks fehlt. Ich versuche mich von der Langeweile und dem Appetit auf Kekse abzulenken, indem ich Gras ausrupfe und auf dem Handtuch verteile. Ich fange auch an, meine Füße zu untersuchen und die Muttermale auf meiner Haut zu zählen. Ich beobachte andere Freibadbesucher, Familien mit ihren Kindern, wie sie gemeinsam Karten spielen oder im Wasser toben. Ich bin ein bisschen neidisch auf diese Kinder und frage mich, ob ihre Eltern sie auch so lange auf sich warten lassen würden.
»It doesn’t hurt me.
You wanna feel how it feels?
You wanna know, know that it doesn’t hurt me?
You wanna hear about the deal I’m making?«
Nach einiger Zeit stelle ich fest, dass das Schwimmbad sich langsam leert. Es kommt mir so vor, als wären jedes Mal ein paar weniger Menschen da, wenn ich einmal aufblicke, als würde sich die Fläche immer Stück für Stück leeren.
Ich starre auf das Schwimmbecken und denke mir, dass ich am liebsten nochmal rein springen würde, doch bevor Mama und Papa nicht zurück sind, geht das nicht. Ich hoffe sie kommen so zeitig zurück, dass ich vor Schließung des Schwimmbads nochmal ins Wasser kann.
Die Sonne verschwindet hinter den Häusern und es wird ein wenig kühler. Ich hänge mir das Handtuch, auf dem ich ursprünglich saß, über die Schultern und sitze mit meiner Badehose im Gras. Es sind so gut wie keine Menschen mehr um mich herum und ich höre eine Durchsage, dass das Schwimmbad in wenigen Minuten schließt. Wo bleiben Mama und Papa bloß? Haben sie mich vergessen? Aber Mama hat doch noch ihre Tasche hier und Papa seine Zeitung.
»You be running up that hill
You and me be running up that hill«
Inzwischen bin ich die einzige Person auf der Wiese vor dem Schwimmbecken. Ich verstehe das nicht. Wo sind Mama und Papa? Ich habe Angst, nicht mehr aus dem Schwimmbad heraus zu kommen, wenn ich es nicht vor Schließung verlasse. Was würde passieren? Müsste ich die ganze Nacht hier verbringen? Eigentlich ist der Gedanke ganz cool, denn dann könnte ich die ganze Nacht schwimmen. Ich habe allerdings Angst, dass mich jemand erwischen und ich ganz großen Ärger bekommen könnte.
»And if I only could,
Make a deal with God,
And get him to swap our places,«
Ich beschließe das Freibad zu verlassen, um nach Hause zu gehen. Ich lasse Mamas und Papas Sachen hier, falls sie doch noch wieder kommen und sie suchen, und nehme nur die Kekse mit. Ich nehme die Kekse mit der einen Hand, auch wenn ich sie NOCH nicht essen darf, und halte mit der anderen Hand das Handtuch über meinen Schultern. Ich greife es an zwei Zipfeln um meinen Hals. Beim Gehen fällt mir auf, dass das Handtuch wie ein Cape aussehen muss und ich steuere mit den Keksen voran aus dem Freibad, wie ein Superheld.
»Be running up that road,
Be running up that hill,
Be running up that building.«
Ich laufe am Zaun des Freibads entlang und schaue von außen auf die Grasfläche, um nochmal zu überprüfen, ob Mama und Papa doch wieder da sein. Nachdem ich erneut eine völlig leere Wiese beobachte, gehe ich weiter.
»If I only could, oh.«
Ich bin mir nicht sicher, ob ich von hier aus nach Hause finde, aber ich bin fest dazu entschlossen, es einfach zu versuchen.
Ich bin ein paar Minuten unterwegs, als mir, ein paar Straßen vom Freibad entfernt, ein alter Mann auf einer einer Decke sitzend auffällt. Er sitzt in einer ähnlichen Haltung auf seiner Decke, wie ich zuvor auf meinem Handtuch. Ich finde er sieht traurig aus. Nachdem ich ihm ein paar Schritte näher gekommen bin, erkenne ich, dass er einen langen Bart hat und seine Klamotten völlig zerlumpt aussehen. Ich habe Menschen, wie ihn, schon öfter gesehen, wenn ich mit Mama in der Stadt war oder mit Papa im Fußballstadion. Meine Eltern zerrten mich in solchen Fällen immer an der Hand von ihnen weg, obwohl sie immer so aussehen, als bräuchten sie Hilfe oder zumindest Trost.
Ich trete näher an den alten Mann heran, bis er mich bemerkt. Da ich nicht weiß, ob und was ich sagen soll, schaue ich ihn nur an. Statt das erste Wort zu ergreifen, starrt der Mann nur zurück. Normalerweise, wenn ich auf Ältere treffe, wie Freunde meiner Eltern, sprechen diese mich zuerst an.
»You don’t want to hurt me,
But see how deep the bullet lies.
Unaware that I’m tearing you asunder.
There is thunder in our hearts, baby.«
Ich schaue auf die Kekse in meiner Hand und überlege, ihm einen zu geben. Mama hat ja nur MIR verboten, welche zu essen, aber nicht, sie anderen anzubieten. Ich entschließe mich schnell dazu, die Schachtel zu öffnen und ihm einen Keks zu reichen. Ich halte ihm die geöffnete Packung entgegen und frage ihn, ob er sich einen nehmen möchte. Er nimmt sich einen der Kekse und nickt mir zu. Daraufhin fängt er an in einem Beutel zu kramen und holt kurz darauf ein Gummiband heraus, um ihn mir zu reichen. Ich nehme das Band fragend an, woraufhin er sich an seinen Hals fasst und mir sagt, das Gummiband sei für mein Cape. Schnell verstehe ich, was er meint, und verbinde zwei Zipfel des Handtuchs vor meinem Hals.
Ich hoffe, ich konnte den traurigen Mann ein wenig aufheitern. Mich hat er auf jeden Fall fröhlicher gemacht.
»So much hate for the ones we love?
Tell me, we both matter, don’t we?«
Froh über das selbsthaltende Cape, fliege ich wie Superman die Straße entlang. Ich fühl mich nicht nur dadurch ein Stück mehr wie ein Superheld, sondern auch weil ich dem Mann helfen konnte, so wie es Superhelden auch tun. Nach einer Weile stelle ich fest, nicht mehr zu wissen, wo ich mich befinde. Ich habe die Orientierung verloren und es wird langsam dunkler und kühler.
»You, be running up that hill
You and me, be running up that hill
You and me won’t be unhappy.«
Ich laufe einfach weiter, in der Hoffnung, wieder an einen Ort zu kommen, der mir bekannt vorkommt. Inzwischen ist es dunkel und ich bin in einer Gegend angekommen, in der sich mehr Menschen aufhalten, als vorher. Es scheint mir, wie ein Teil der Innenstadt zu sein, doch so wirklich wissen, wo ich mich befinde, tu ich noch immer nicht. Die Menschen hier wirken alle nicht so ruhig, wie der alte Mann von vorhin. Sie laufen hektisch die Straße entlang und rempeln mich zum Teil an.
»And if I only could,
Make a deal with God,
And get him to swap our places,«
Ich erspähe eine Person am Rand der Straße, die auf etwas zu warten scheint oder zumindest momentan nicht viel zu tun zu haben scheint. Ich beschließe die Person anzusprechen und nach dem Weg zu fragen, oder zumindest, wo wir uns genau befinden. Am Anfang stand dieser Mensch soweit im Schatten, dass ich aufgrund seiner Größe dachte, es sei ein Mann. Als ich näher an die Person herantrete, scheint sie allerdings eine Frau zu sein. Sie hat einen glitzernden Rock an und ist sehr stark geschminkt. Ich bin nicht sicher, ob sie ein Mann oder eine Frau ist, aber für meinen Zweck tut das sowieso nichts zur Sache.
Ich frage sie, ob sie mir sagen kann, wo ich bin und noch bevor sie mir antwortet, stellt sie mir die Gegenfrage, warum ich in meinem Alter um diese Uhrzeit alleine, und dazu noch in Badehose und mit einem Cape um den Hals, draußen spazieren gehe. Ich sage ihr, dass ich mich verirrt habe und sie mir eventuell helfen kann. Schon wieder ignoriert sie was ich sage und bemängelt nur, dass mir kalt sein müsse und spricht daraufhin einen ihr bekannten Mann neben sich an, um ihn um seinen Pullover zu bitten. Der Mann weigert sich zuerst, seinen Pullover auszuziehen und ihn einen wildfremden Bengel zu schenken, doch nach langer Überredung der großen Frau, reicht er ihr den Pulli und sie ihn somit mir. Als Dank biete ich ihr und dem Mann neben ihr einen Keks an. Die große Frau nimmt ihn dankend an und den Mann neben ihr kann ich meines Erachtens nach damit auch ein wenig besänftigen.
»Be running up that road,
Be running up that hill,
Be running up that building,
If I only could, oh.«
Ich setze mich auf eine Bank an einem Springbrunnen auf der gegenüberliegenden Seite der Straße. Ich ziehe den Pullover an und das Cape darüber. Ich habe ja immer noch keine Antwort auf die Frage meines Standorts bekommen, aber inzwischen ist es mir gar nicht mehr so wichtig nach Hause zu kommen.
»‘C’mon, baby, c’mon, c’mon, darling,
Let me steal this moment from you now.
C’mon, angel, c’mon, c’mon, darling,
Let’s exchange the experience, oh«
Es macht mir viel mehr Spaß die interessanten Menschen hier zu beobachten und ihnen meine Kekse anzubieten. Bei dem Gedanken, bekomme ich selbst Hunger und ich entschließe mich dazu, mir einen Keks für mich zu gönnen. Mama hat es mir schließlich nicht für immer verboten. Sie hat gesagt, dass ich später einen Keks essen dürfte und ich denke JETZT ist später.
»And if I only could,
Make a deal with God,
And get him to swap our places,
Be running up that road,
Be running up that hill,
With no problems«
Ich durchstreife nach meiner Überlegung weiter die Straßen. Ich will Menschen mit meinen Keksen helfen, so wie Superhelden den Menschen auch helfen. Viele reagieren nicht auf mein Angebot, aber manche nehmen dankend einen Keks an. Einige sind verwundert, andere desinteressiert und wieder andere sind einfach nur freundlich. Die Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf mein Angebot.
»And if I only could,
Make a deal with God,
And get him to swap our places,
Be running up that road,
Be running up that hill,
With no problems«
Nach einiger Zeit merke ich, dass ich erschöpft bin und müde werde. Ich gehe zurück zu der Bank, auf der ich eben noch saß, und fange an zu bereuen, nicht weiterhin versucht zu haben, nach Hause zu kommen. Es ist bestimmt schon längst Schlafenszeit und Mama und Papa suchen mich bestimmt.
»If I only could, be running up that hill.«
Aber wieso haben sie mich auch so lange alleine gelassen? Ich konnte ja nicht länger warten.
»If I only could, be running up that hill.«
Es ist kalt und selbst der Pullover hält mich nicht warm genug.
»If I only could, be running up that hill.«
Ich bin so müde, dass mir immer mehr die Augen zu fallen und ich lege mich seitlich auf die Bank. Im Halbschlaf bemerke ich, wie ein Mann auf mich zukommt.
»If I only could, be running up that hill.«
Vielleicht ist es Papa und er hat mich endlich gefunden.
»If I only could, be running up that hill.«
Vielleicht aber auch ein Polizist, der mich nach Hause bringt.
»If I only could, be running up that hill.«
Vielleicht ist es aber auch ein anderer Mann …
»If I only could, be running up that hill.«